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Gedichte

heimflug

ich hörte kein rauschen, keinen flügelschlag
ich sah keine schwingen und doch hob ich ab
gerade noch bleiern, noch schwer wie ein stein
flog ich durch tiefe nacht, flog ich heim.

alle schmerzen blieben als felsen zurück
die trauer fiel ab und ich weinte vor glück
schon sehe ich die sonne, sie flüstert mir zu:
ich schenke licht dir und wärme dazu.

ihr sollt, meine freunde, jetzt nicht traurig sein.
wir sehen uns wieder — ihr kommt ja auch heim.
ich fliege euch nur ein wenig voraus
richte schon mal die wohnung, unser zuhaus.

wenn ihr dann kommt, gibst ein riesiges fest,
das sterne erglühen, den mond tanzen lässt.
was wird das für uns für ein riesenglück sein.
wir haben uns wieder — sind nie mehr allein.

es wird keiner dort sterben und keiner mehr gehen
wir werden uns besser als jetzt noch verstehen.
Wir treffen auch wieder, die jetzt schon dort sind
und fliegen und tanzen im wind.

ich fliege nach haus, bin auf abschiedstournee
sing einmal noch lieder von dem, was ich seh´
ich singe sie für euch, die ihr bei mir wart
ich danke euch — und bleibt stets bewahrt.

helft einander auf, wer zu boden auch geht.
steht zueinander , dass die freundschaft besteht
und haltet euch dann für den heimflug bereit.
habt das herz voller liebe, der weg ist sehr weit.

ich habe gelebt — die zeit ist egal.
ich musste jetzt gehen, mir blieb keine wahl.
nein: ich durfte jetzt gehen, ich lass euch zurück
machts gut, meine freunde, ich wünsche euch viel glück.

das glück, das selbst auch im tod nicht verrinnt.
das glück, das ganz feine fäden spinnt
für ein netz der liebe, das ewig hält,
das geknüpft wird seit anbeginn dieser welt.

 


heimflug (zwischenbilanz)

ich ziehe keinen schlussstrich — ich mache zwischenbilanz
steh auf dem boden, dem hier und jetzt ganz.
bin auch noch nicht weg, wie ich euch schrieb.
ich nutze die zeit und die ist mir sehr lieb.

ich habe euch beunruhigt, verstört und schockiert,
hab´ euch vielleicht in die irre geführt
habt sorge, dass krankheit, dass trauer mich frisst,
denkt auch vielleicht schon, dass ihr mich vermisst.

dass ich nicht gern lebe, auch das glaubt doch nicht.
ich liebe das leben, doch hört meine sicht:
das leben bekommt nicht durch jahre gewicht,
sondern durch tiefe — und die fehlt mir nicht.

ich hau noch nicht ab, ich lass nicht im stich
meine kleine freundin, sie braucht doch jetzt mich.
noch ein verlust, das wäre zu viel.
wir sind auf dem weg, noch längst nicht am ziel.

ich glaube, mein auftrag ist noch nicht erfüllt,
auch wenn ich im träumen die sehnsucht gefühlt,
nach hause zu kommen, zu hause zu sein
doch den zeitpunkt, den bestimmt gott allein.

ich will mit euch feiern, wie letztens gesagt.
das leben, ich habe zu leben gewagt.
zwar feiern wir manchmal mit feuchtem gesicht,
doch gehört das dazu, sonst leben wir nicht.

ich habe nichts verpasst, es ist ja so schön,
mit freundinnen, freunden durch´s leben zu geh´n.
freu mich über umarmungen und einen gruß,
über augen-blicke und jeden kuss.

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WIR

Bild: Wir

DU und ICH
Ungleichung
mit zu vielen
Unbekannten,
Lösung außerhalb
des gültigen
Bereichs?
Oder
Gleichung
die sich
auflöst
ins
wir?

Wir?

Was macht
aus dem
DU und ICH
ein WIR?

Der Weg, den wir ein Stück gemeinsam gehen?
Die Freude darüber, dass wir uns verstehen?
Das Licht, das uns in dieselbe Farbe taucht?
Der Blick nach vorn, zu dem, der uns braucht?

Vertrauen, das uns Offenheit schenkt,
ein Gott, der unsere Schritte lenkt?
Ein Herz, das füreinander schlägt?
Das Wasser, das uns beide trägt?

Zu wissen, sich nicht durch Zufall begegnet zu sein,
zu fühlen, ab jetzt sind wir nie mehr allein?
Zu glauben, man ist füreinander bestimmt,
zu hoffen...

Was macht aus dem DU und ICH ein WIR?
Ich weiß es nicht — komm sag Du es mir!

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cafe aran

manchmal
glaube ich
könnten wir
die worte ablegen
wie im cafe
die jacke
und
den mantel
und
wir hörten
allein
das schlagen
der herzen
und
wir sähen
in unseren gesichtern
was
vielleicht
zu sagen
gewesen wäre

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grün

grün ist
die
hoffnung —
weiß
doch
jedes
kind —
aber
welches grün
in der
farblandschaft
unentdeckter landkarten
in gewiss unaussprechlichen
ortsnamen wie
phtalogrün mit den
ortsteilen
hell und dunkel
und gelegen an
unverwelklichen geheimnissen
wie das
hookersgrün
oder das
smaragdgrün
voll unergründlicher
tiefe und tief ebenso
aber doch
ganz anders tief
als das
kobaltgrün
heimat
klingt erst an
im duftenden
grün der tannen
und im
wacholdergrün
der heide
singt der
mai sein lied
vom grün der
gezeiten
stinkend beinahe
aber in gelblicher
grünerde und
geradezu giftig
im
feurigen
chromoxidgrün
kann das
lichtgrün
dagegenhalten
wird es
stark genug sein
unterstützt vom
laubgrün und dem
grün des grases
ewiges grün
an den
polen
unauslöschlich eingebrannt
im olivenen
gewand

sag mir
nun:
wie grünt
die
hoffnung

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Neues Jahr

Wie Schnee, der frisch gefallen ist
liegt vor mir das neue Jahr.
Kein Schatten, der die Reinheit stört,
bedeckt, was gestern war.

Zwar ist der Schnee schön anzuschaun
doch entdeck ich ihn erst richtig,
wenn er mir unter den Füßen knirscht.
Dann wird er mir lebendig

So will ich auch das neue Jahr
betreten und Spuren hinterlassen,
es formen, begreifen und zugleich
mit allen Sinnen erfassen.

Vielleicht zeigt sich im Rückblick
so manche falsche Spur.
Vielleicht zeigt sich im Nachhinein:
Ich lief im Kreise nur.

Doch jeder dieser Kreise
und jede krumme Tour
bringen mich doch zum Ziele
auf meiner Lebensspur.

 

© Günter Weber

 

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